Abschlussveranstaltung zum Stadtumbau in Büdingen - Interview mit Tine Göllner

“Im Herzen bleibe ich Büdingen immer erhalten.”

Die Architektin Tine Göllner (42) hat den Stadtumbau in Büdingen im Auftrag der Stadt Büdingen koordiniert und begleitet. Im Interview spricht sie über ihre Arbeit in Büdingen.

Von Elke Kaltenschnee

 
 


Frau Göllner, wie sind Sie zum Büdinger Stadtumbau gekommen?

Der Stadtumbau ist ein Förderprogramm von Bund und Land. 2005 wurde dazu ein Ideenwettbewerb durchgeführt. Ich war 2003 mit meinem Studium fertig und habe mich beteiligt. Man konnte sich als Teilnehmer eine Kommune aussuchen und musste Vorschläge machen, wie die Kommune ihr städtebauliches Umfeld verbessern kann. Da ich aus Altenstadt komme, Büdingen kenne, dort zur Schule gegangen bin und die Stadt großes Potenzial hat, habe ich sie ausgewählt. Ich wurde abgelehnt, weil ich statt einer Stelle in Büdingen gleich deren acht bearbeitete hatte, unter anderem den Seemenbach und den Bahnhof. Also habe ich meine Ideen direkt in Büdingen vorgestellt - und zwar Herrn Spamer und Herrn Marth. Es hieß: "Wir melden uns." Ja klar, dachte ich. Etwa zwei Wochen später erhielt ich einen Anruf von Herrn Marth, ob ich Interesse hätte, die Ausschreibung für das Bewerbungsverfahren für den Stadtumbau zu begleiten.

Als erstes wurde damals ein Integriertes Handlungskonzept erstellt. Was genau ist das?

In anderen Städten heißt es Integriertes Städtebauliches Konzept. Es wurde zu Beginn des Stadtumbaus 2005 von einem Planungsteam eine Analyse der Gesamtstadt vorgenommen, um zu sehen, welche städtebaulichen Strukturen es in Büdingen gibt: Man schaut sich den städtebaulichen und wirtschaftlichen Status Quo an und erarbeitet im Dialog mit den Bürgern, wo die Stärken und die Schwächen der Kommune liegen und in welche Richtung die Entwicklung gehen soll. Das zusammengefasst ergibt das IHK. Auf dessen Grundlage wurden Bereiche für den Stadtumbau festgelegt. Erst nach der Genehmigung durch die Fördermittelgeber durften wir loslegen. Außerdem durften ausschließlich die im IHK festgeschriebenen Projekte durchgeführt werden, auch wenn im Laufe der Zeit Wünsche aufkamen, auch dieses oder jenes anzupacken.


Wie wurden die Büdinger in den Stadtumbau eingebunden?

Durch Projektwerkstätten zu bestimmten Themen, wie etwa Radverkehr, durch die Kinderwerkstatt, Arbeitsgruppen für bestimmte Stadtbereiche, Expertengruppen mit ortsansässigen Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen. Durch eine Bepflanzungsaktion im Stadtpark. Dort war Dieter Egner sehr aktiv. Nicht zuletzt durch die wöchentlich stattfindende Bürgersprechstunde während der aktiven Baustellenphasen.

Zuerst wurde die Bahnhofstraße in zwei Abschnitten umgebaut. Dazu eine ganz konkrete Frage: Im Zusammenhang mit den Parkplätzen kommt es immer wieder zu Kritik. Es stünden zu wenig Parkplätze zur Verfügung und wegen der Baumeinfassungen könne man dort schlecht parken.

Die Baumeinfassungen sind höher als regulär, aber nicht extra hoch. Die Baumscheiben der gesetzten Bäume müssen geschützt werden. Wären die Steine niedriger, würden die Autofahrer hineinfahren. Die Baumscheiben sind im Augenblick nicht besonders schön anzusehen. Sie wurden dreimal bepflanzt, aber der Bewuchs ist nicht angegangen. Wenn dort etwas Schönes wachsen würde, gäbe es mehr Respekt für die Grüngestaltung. Im Übrigen habe ich mit meinem Kombi ausprobiert, ob man dort parken kann. Es geht. Auch im Verkehrsfluss. Aber wir haben die Kanten der Steine entgratet, damit es an den Fahrzeugen nicht zu Schäden kommen kann.

Was sagen Sie zu der reduzierten Anzahl von Parkplätzen?

Das ist richtig. Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Qualität der Nutzer der Bahnhofstraße erhöht werden soll. Es geht aber nicht, dem Nutzer mehr Platz einzuräumen und zeitgleich die Zahl der Stellplätze zu erhalten. Die Stellmöglichkeiten auf dem Festplatz an der Willi-Zinnkann-Halle übertrifft in Summe das, was wir vorher hatten.

Warum gibt es in der Bahnhofstraße keinen Radweg?

Dafür hatten wir überhaupt keine Fläche zur Verfügung. Die Straße ist im Querschnitt zu klein dafür. Man hat sich damals auch gegen Angebotsstreifen gesträubt. Die hatten wir mit im Paket, aber das war nicht gewünscht, zumal die Straße in Teilbereichen eine Landesstraße ist und die Stadt nicht das alleinige Planungsrecht hat. Man wollte es lieber so, dass sich Autos und Radfahrer den Platz teilen. Dort werde in der Regel auch nicht so schnell gefahren, hieß es.

Ein Highlight beim Umbau der Bahnhofstraße war die Freilegung der Herrgottskirche, deren Existenz und Lage im Bereich der Sparkasse und des Amtes für Bodenmanagement ja bekannt war.

Wir wollten gern die Lage der Kirche im Asphalt kenntlich machen. Dafür hatten wir zuerst auch grünes Licht, aber schlussendlich hat es nicht geklappt. Auch eine Tafel wollten wir an der Seite aufstellen, die Informationen über die Kirche und die Funde, die wir dort gemacht haben, enthält. Die Planung dazu liegt vor.

Es gab viele Aktionen während des Stadtumbaus.

Absolut. Am Bauzaun in der Bahnhofstraße hatten wir Fotos angebracht, die uns Bürger zur Verfügung gestellt hatten. Gemeinsam mit dem Gewerbeverein haben wir die Aktion "Blaustelle" ins Leben gerufen, um die Ladengeschäfte zu unterstützen. Wir haben außerdem an der Kulturnacht mit Führungen teilgenommen. Das ist alles sehr gut angekommen.

Sprechen wir über die Emil-Diemer-Anlage. Die ist ja wirklich großartig geworden.

Vielen Dank. Grundsätzlich ist der Prozess rund um die Emil-Diemer-Anlage so zustande gekommen, dass es die Sportplatz-Verlegung an den Dohlberg nicht gab. Also haben wir überlegt, wie wir sinnvoll weitermachen. Wir haben den Stadtpark in zwei Bauabschnitten umgebaut. In einem ersten wurde der Uferweg gestaltet und die beiden Brücken erneuert. Hier haben wir großen Wert auf Barrierefreiheit gelegt. Zwar ist die Seemenbachbrücke für jemanden, der mit einem Rollator oder einem Rollstuhl unterwegs ist, immer noch recht steil, aber es ist wesentlich besser als vorher. Am Ufer mussten Vorgaben zum Hochwasserschutz eingehalten werden. Deshalb ist der Barfußpfad nicht mit Kieseln oder losem Material ausgestattet. Das würde bei Hochwasser fortgeschwemmt. Er ist auch so sehr schön geworden. Im zweiten Bauabschnitt wurde unter anderem der Multifunktionsplatz geschaffen. Die Zusammenarbeit mit der Sportgemeinschaft war dabei mannigfach.

Was meinen Sie damit?

Der Verein hätte gern Kunstrasen gehabt, aber das war zum einen aus Kostengründen nicht möglich und zum anderen hätte es der Hochwasserschutz nicht erlaubt. Auch war man bei der SG unzufrieden damit, dass der Multifunktionsplatz etwas kleiner ist als vorher. Er ist aber immer noch so groß, dass dort offizielle Wettbewerbe stattfinden können. Zudem hat der Verein vorrangiges Nutzungsrecht für den Platz.

Es wurde in diesem Bereich einiges an Sport- und Freizeitmöglichkeiten geschaffen.

Wir wollten einen Bereich schaffen, der von ganz verschiedenen Bevölkerungsgruppen genutzt werden kann. Deshalb auch der Kleinkindbereich mit Spielgeräten oder die Skateranlage, die zuvor an der Kaserne stand und die wir günstig erwerben konnten. Von besonderer Bedeutung ist auch die Querung, die eine bessere Anbindung in die Stadt bietet. Jetzt können Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, besser dorthin gelangen und müssen nicht um das gesamte Gelände herumlaufen.

Was macht es mit Ihnen, dass die Toilettenhäuschen, kurz nachdem sie der Öffentlichkeit übergeben wurden, völlig zerstört wurden?

Verrückte gibt es ja immer. Ich finde es schade, dass es keinen größeren Aufschrei deswegen gab. Immerhin kam der Wunsch aus der Bevölkerung, dort öffentliche, barrierefreie Toiletten zu bauen. Im Übrigen sind sie nicht das Einzige, was zerstört wurde. Wir hatten Zerstörung an Pflanzen, an Mülleimern. Mit einer gewissen Quote muss man immer kalkulieren. Dass es an dieser Stelle so ein Ausmaß erreicht hat, ist sehr bedauerlich. Ich hoffe aber, dass man sich davon nicht einschüchtern lässt. Ich bin der Meinung, dass es konkreter kontrolliert werden muss. Und es darf nicht passieren, dass man jetzt sagt: "Dann machen wir halt nichts Schönes mehr." Wir haben vorausschauend bereits bei der Planung ein Leerrohr vorgesehen, um eine Kamera installieren zu können. Ich bin zwar kein Freund von so etwas, aber es kann nicht sein, dass fremdes Eigentum mutwillig zerstört wird.

Ist bei den Projekten des Stadtumbaus der Kosten- beziehungsweise der Zeitrahmen eingehalten worden?

Im Falle der Bahnhofstraße kann ich beides bejahen. Bei der Emil-Diemer-Anlage haben wir den Zeitrahmen ebenfalls eingehalten. Zu den Kosten kann ich im Moment nichts sagen. Die Endabrechnung liegt noch nicht vor.

Gab es Probleme, die Ihnen den Schlaf geraubt haben?

Nein. Aber Probleme gab es. Bei Bauen im Bestand taucht immer mal wieder etwas Unvorhergesehenes auf, wie etwa der Kanal in der Bahnhofstraße, der komplett schief lag. Aber es gibt immer eine Lösung. Aus Kostengründen konnten wir zum Beispiel den Multifunktionsplatz leider nicht grundsanieren. Aber wir haben mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Bestmögliche erreicht.

Besondere Erlebnisse?

Als die Brücke am Seemenbach freigegeben wurde und die Kinder des Kindergartens von der einen zur anderen Seite gerannt sind: Das war wirklich toll.

Kritikpunkte?

Was ich nach wie vor nicht gut finde, ist, dass die Gebühren der Straßenbeiträge für die Anwohner der Bahnhofstraße im laufenden Prozess geändert wurden. Da hatten wir innerhalb der Verwaltung heiße Diskussionen. Ich fand, die Bürger sollten nicht so stark belastet werden. Dann ist entschieden worden, sie stärker zur Kasse zu bitten. Das war meiner Ansicht nach nicht notwendig. Auch bei der Sportplatzverlagerung hätte ich gern ein anderes Ergebnis gehabt. Da bin ich nach wie vor der Meinung, er wäre am Schulzentrum besser aufgehoben. Aber es gibt einen demokratischen Prozess und dessen Ergebnisse muss man akzeptieren.

Wagen wir einen Ausblick. Wie kann es städtebaulich weitergehen in Büdingen?

Ich sehe viele Ansätze, wo man weitermachen kann. Es sind viele Grundlagen gelegt worden: das Einzelhandelskonzept, das Gestaltungshandbuch für die Bahnhofstraße, das Verkehrskonzept für den Dohlberg. Die Bahnhofstraße Richtung Bahnhof hat viel Potenzial. Dort sollte man tätig werden. Die Stadt sollte nutzen, dass es Bürger, Vereine, Initiativen, Interessensgemeinschaften gibt, die sich aktiv an der Gestaltung ihrer Stadt beteiligen wollen. Das halte ich für ausgesprochen wertvoll. Ich wünsche mir, dass es so bleibt und dass man auch Kinder und Jugendliche in Zukunft mehr einbindet.

Bleiben Sie Büdingen erhalten?

Im Herzen bleibe ich Büdingen immer erhalten.


Originalartikel im Kreisanzeiger Copyright Gießener Anzeiger Verlags GmbH & Co KG